
Fuchs und Bär zogen durch die Lande und verdingten sich mal hier, mal dort als wandelnde Gaukler, immer auf der Suche nach Nahrung und Obdach und keiner Schelmerei abgeneigt, manchmal auch keiner Gaunerei.
Ihr neuester Trick war, dass der Bär sich als Riesenkrähe verkleidete und den Leuten die Zukunft vorhersagte. Weil keiner wissen konnte, was die Zukunft brachte – auch der Bär natürlich nicht – erzählte die „Riesenkrähe“ den Kunden das Blaue vom Himmel herunter, meistens das, von dem sie dachte, dass die Leute es gerne hören würden.
So kam es, dass beide nie lange in einem Ort bleiben konnten; sobald die guten Leute des Weilers ihrer Schwindeleien gewahr wurden, wollten sie ihr Geld und die versprochene Zukunft zurück. Aber Fuchs und Bär entgegneten, dass sie nie gesagt hätten, WANN denn nun die großartigen Ereignisse eintreffen würden und dass „zukünftig“ auch „in hundert Jahren“ bedeuten könne.
Da fühlten sich die Dörfler verkohlt und übertölpelt und jagten die beiden Gaukler mit Schimpf und Schande aus dem Ort. Nun waren sie wieder auf der Landstraße auf Wanderschaft.
„Die Welt ist groß“, wandte sich der Fuchs an seinen Bärenfreund, „und die Dorfleute sind dumm! Wir müssen in die Stadt gehen und dort die Städter ausnehmen. Sie sind vielleicht klug in Weltgeschäften, aber dumm in unseren Schlichen und Wegen!“
Das hielt der Bär auch für eine gute Idee, wenn er auch nicht wusste, wieso, denn er war selber auch ein bißchen dumm. Aber bei Tieren hat hat das wenig zu bedeuten, es wird sogar vorausgesetzt, denn sonst taugen sie nicht als Sklaven und Diener, und das ist das Los der meisten Tiere.
Um die Städter zu beeindrucken, hatte der Fuchs eine Kohorte Militärfrösche angeheuert, die gerade keinen Dienstherrn fanden. Diese sollte auf ihren Froschposaunen das große Ereignis verkünden, das Fuchs und Bär in ihre Stadt bringen würde:
„DAS LIED VOM ENDE ALLER ZEITEN“. So nämlich hatte der Fuchs seine allerneueste Gaunerei benannt, mit der er den Städtern das Geld aus den Taschen und Wämsern zu ziehen gedachte.
Sein Plan war folgender: er selbst wollte auf einer orientalischen Bambusflöte eine hypnotische Melodie spielen, die die Zuhörer nach und nach einschläferte und mit seligem Wohlgefühl erfüllte.
Dazu sollte der Bär in einem wallenden Schleiergewand einen Zeitlupentanz aufführen. Den Tanz hatte sie einst eine freundliche Elfe gelehrt, als sie bei ihren Wanderungen durch die Waldgegend der Waldgeister kamen. Die Elfe hatte ihnen gezeigt, wie man mittels des Tanzes und eines dabei immer wieder beschwörend wiederholten rhythmischen Sprechgesanges die Anwesenden in eine Art Euphorie der Gemütlichkeit und vor allem eine überbordenden Großzügigkeit versetzt.
Die Worte, die der Bär zu wiederholen hatte, aber lauteten:
„Die Augen zu, das Herzlein auf! Recht viel zu geben ist der Brauch!“
Dies würde die Beutel der Zuhörer öffnen und ihrer Freigebigkeit keine Grenzen setzen, versprach die Elfe.
Fuchs und Bär wollten dies nur zu gern glauben und sehnten die Gelegenheit herbei, es auszuprobieren. Nun sahen sie die Stunde gekommen, um ihre Träume vom großen Glück und schnellem Geld Wahrheit werden zu lassen, zumal der Fuchs inzwischen ein paar nette orientalische Hypnoselieder von einem indischen Fakir gelernt hatte. Er musste dem Fakir dafür ein paar Gänse aus dem Stall eines einsam gelegenen Bauernhofes stehlen. Aber das ist eine andere Geschichte, die ein anderes Mal zu erzählen sein wird.
Die seltsame Prozession jedenfalls wurde auf der Landstraße, als bereits die ersten Häuser der Stadt auftauchten, eines Reisenden aus einer anderen Welt ansichtig, der von einem kleinen Hund begleitet wurde. Der Mann war mit einer Kluft angetan, wie sie weder Bär noch Fuchs noch einer der Frösche je gesehen hatten. Allein das Schuhwerk des Fremden war von einer Art, die auf einen Schumacher höchster Kunstfertigkeit hindeutete, dazu aus einem Leder gefertigt, das gar kein Leder war und auch sonst keine den Reisenden bekannte Pflanze, Flechte oder Webwerk tierischen Ursprungs.
Trotz des offenkundigen Hexenwerks seiner Stiefel und seiner Gewänder verstand der eigenartige Geselle die Sprache der Tiere und wandte sich an den Fuchs, den er ohne Umschweife als Sprecher und als schlauesten der Gruppe ausmachte.
„Ich muss euch warnen, Gevatter Rotschweif!“, hub der Fremde zu sprechen an. „Man weiß in dieser Stadt um eure Pläne und will euch eine Falle stellen! Die Bürger dieser Stadt kennen nur den Erfolg ihrer Zahlen und Berechnungen und sind darüber immun geworden gegen den Klang der Bambusflöte, auch der Hypnosetanz wirkt bei ihnen nicht, weil sie selbst im hypnotisierten Zustande einzig und allein ihre Geschäfte im Sinn haben!“
„Das sind aber schlechte Neuigkeiten!“ riefen Fuchs und Bär aus, und die Frösche sagten in ihrer Froschsprache so etwas ähnliches. Es hörte sich aber für die Umstehenden wie „Quak Quak Quak“ an.
„Nun gut“, sagte der Fuchs, „immerhin ist der Schaden jetzt halbiert, denn wir haben zwar kein Geld an diesen Bürgern verdient, aber es hätte viel schlimmer kommen können. Am Ende hätten die Bürgersleut uns eingesperrt und für sie arbeiten lassen, Gott bewahre!“
„Gott bewahre!“ brummte auch der Bär, und die Frösche sagten so etwas ähnliches in der Froschsprache. aber es hörte sich schon wieder an wie „Quak Quak Quak“. Nun ergriff der Fuchs erneut das Wort und sprach: „Wohlan, Gefährten und Kameraden! Hier konnten wir nicht zum Zug kommen, woanders wird unser Glück zu machen sein. Wann und wo wissen wir noch nicht, aber um es herauszufinden, oder aber um es zu vergessen, lasst uns in das Wirtshaus dort am Wegesrand einkehren und bei gutem Schmaus und reichlich Trank des Lebens erfreuen, den Kummer vergessen und ein Lied anstimmen!“
„Aber nicht DAS LIED VOM ENDE ALLER ZEITEN“, sagte der Bär, der gerne einen Scherz machte. Der Fuchs lachte und schlug dem Bären, der immer noch das Krähenkostüm anhatte, vor Freude auf die Schulter und rief den Fröschen zu „ ein solcher Spaßvogel wie unser Freund Bär, ist euch wohl noch nicht runtergekommen oder?“
Die Frösche lachten höflich, hatten aber überhaupt nicht verstanden, was an der Bemerkung des Bären nun witzig sein sollte. Frösche haben nämlich keinerlei Humor, wie jeder weiß, der schon einmal an einem Tümpel saß. Aber sie lachten immerhin, wenn auch ohne Verständnis, so dass letztlich alle lachten – was ein besseres Ende ist, als wenn alle tot oder gefressen worden wären, und damit ist die Geschichte aus.