
Aus dem Märchenland des betreuten Denkens: „BILD“ erklärt uns den Kapitalismus

Nachdem die „BILD am Sonntag“ sich gestern sorgenvoll und stellvertretend für uns alle gefragt hatte, ob wir am Ende etwa „nicht fleißig genug“ wären (und die Frage gleich mit der „Wahrheit über Arbeit in Deutschland“ beantwortet), legt sie heute nach und teilt uns mit, was wir sowieso bereits ahnten, wenn wir uns in Freundes- und Bekanntenkreis und auf Arbeit so umschauen und umhören: „Immer mehr Deutsche plötzlich pleite“!
Schreck lass nach, wie denn das? Sind etwa „immer mehr Deutsche“ plötzlich übermütig geworden und verjubeln die schöne Kohle für teure Urlaube, Luxusklamotten und schnelle Autos? Sind wir ein Volk von Zockern, die am Roulette-Tisch die soliden Facharbeiter-, Angestellten- und Beamtengehälter versenken?
Beinahe: „immer mehr Deutsche“ sind nämlich finanzielle Hallodris, die einfach nicht mit Geld umgehen können! „Konsumkredite, Dispos und finanzielle Unwissenheit belasten immer mehr Menschen“, stellt das Blatt fest. Ganz schlimm: „17 Prozent schauen nicht mal auf ihr Konto!“
Damit ist klar, dass diese Hans-guck-in-die-Luft-Pleitiers an ihrem Bankrott im Grunde selbst schuld sind. Vor allem aber steht fest, dass LOHNARBEIT auf gar keinen Fall etwas damit zu tun haben könnte, dass es den Leuten flächendeckend immer weniger möglich ist, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen – die Insassen der „Schuldenfalle“ sind verantwortungslos und faul! Sonst würden sie ja regelmäßig auf ihr Konto schauen und, statt Konsumentenkredite aufzunehmen, einfach mal fleißig Überstunden machen für ihre Anschaffungen!
Womit wir wieder bei der bangen Frage vom Sonntag wären: „Sind wir nicht fleißig genug?“
„BILD“ wäre aber nicht „BILD“, wenn die Zeitung nicht auch Hoffnung verbreiten und den deutschen Faulenzern erklären würde, was man tun kann: „So kommen Sie aus dem Minus“ werden wir direkt angesprochen. Und zwar nicht von einem beliebigen „BILD“-Redakteur, sondern von „Hey_, die KI von BILD“!
Die „BILD“-KI hat dann auch ein paar Super-Tipps, mit denen wir wieder finanziellen Boden unter die Füße bekommen.
Erstmal: Ordnung halten!
„Sammeln Sie alle Kontoauszüge und listen Sie alle festen Einnahmen und Ausgaben auf. Nutzen Sie Apps oder Tabellenprogramme, um alles übersichtlich zu halten.“
Es folgen allerlei Vorschläge, wo man überall sparen und sich einschränken kann, von Streaming-Abos bis zu Nahrungsmitteln („Verzichte auf Luxusartikel“). Dann, schon als vierter Punkt, kommtt ein derart unschlagbarer Guter Rat, dass man sich unwillkürlich fragt, wieso man nicht selber darauf gekommen ist: „Einnahmen erhöhen“!!
Diese geniale Idee hat das Zeug zum Wirtschaftsnobelpreiskandidaten, so simpel und auf der Hand liegend ist sie! Falls jemand sogar mit dieser einfachen Idee Schwierigkeiten hat, erläutert die Bild-Zeitung dem Schuldnerklientel nochmal, wo da anzusetzen ist: „Überlegen Sie, ob ein Nebenjob oder Überstunden möglich sind“.
Womöglich unterschätzt das Fachblatt für Volkserziehung an dieser Stelle aber seine proletarische Leserschaft. Im besten Deutschland, das wir je hatten, ist nämlich jedem, der seine proletarische Haut zu (Arbeits-)Markte tragen muss, eines klipp und klar – der Satz „So kommen Sie aus dem Minus“ enthält in sich schon die Gewißheit: „Jedenfalls nicht durch Lohnarbeit“.
Vorteile des Alter(n)s? Einen gibt‘s.

Einer der ganz wenigen Vorteile des Alter(n)s ist der Abstand zum weltlichen Treiben.
Die erleichternde Gewissheit, dass die Zeit der Einbettung in die spezies-übliche Beschäftigung mit Selbstfindung und -behauptung, mit Beruf und Karriere, mit Nistbau und Brutpflege vorüber ist, entschädigt für die Zipperlein und Beschwernisse, denen das alternde körperlich-geistige Vehikel unterworfen ist.
Insbesondere entschädigt dieser stets sich vergrößernde Abstand für die zahlreichen und unablässigen Beleidigungen menschlicher Intelligenz, die man permanent ertragen muss, sobald man den unvermeidlichen Begegnungen im Außen ausgesetzt ist.
Man sitzt in dem lecken Kahn des Alterungsprozesses und wird weiter und weiter abgetrieben vom Kontinent des Machen und Tuns, von der geschäftigen Sinnlosigkeit der menschlichen Ameisen, die in ihrem Treiben unbedingt einen Sinn entdecken und irgendwelche Ziele erreichen wollen – und wenn es die Versorgung und optimale Ausstattung des Nachwuchses ist.
„The party’s over and there’s less and less to say
I got new eyes, everything looks far away“
(Bob Dylan: Highlands)
Hier in Mitteleuropa, auf dem Abstellgleis der Geschichte, auf dem die verrostete Diesellok und die geplünderten Güterwaggons des europäischen Imperialismus zu stehen gekommen sind, scheinen sich die Zumutungen an Vernunft und Verständigkeit durch die öffentliche und politische Sphäre, derzeit täglich zu potenzieren. Immerhin potenziert sich aber auch der eigene innere Anstand zu dem geballten Irrsinn, der ringsum über einen hereinbricht.
Geschichten die das Leben schrieb: lustiger Alltagsrassismus der Mittelschicht
Auf der morgendlichen Hunderunde, hinter der Ladenzeile im Oberkasseler Neubaugebiet, tritt ein junger Mann südländischer Ethnizität aus einem der Hauseingänge, frisch geduscht und geföhnt, mental erkennbar gerüstet, den vielfältigen Herausforderungen des Lebens entschlossen und siegreich entgegenzutreten.
Er zündet sich umständlich eine Zigarette an und überprüft im Seitenfenster eines parkenden Autos noch einmal sein Erscheinungsbild. Das scheint auch nötig, denn sein Outfit besteht aus einer Lederjacke über einem T-Shirt und einer hellgrauen Jogginghose.
Die Frau und ich betrachten uns im Näherkommen das Schauspiel. Ich muss an das bekannte Zitat von Karl Lagerfeld denken und bemerke, mehr zu mir als zu meiner Begleiterin: „Noch einer, der die Kontrolle über sein Leben verloren hat…“
„Hab ich auch grad gedacht“, entgegnet die Liebste. „Du glaubst gar nicht, was für ein asoziales Volk morgens in die U-Bahn einsteigt, wenn ich zur Arbeit fahre… Ich nehme manchmal absichtlich die U 77, weil da nicht so viele von denen mitfahren…“
Jetzt wird mir die Konversation aber doch etwas zu heikel bzw. zu gruppenbezogen vorurteilsbelastet und ich wende ein „Naja, was heißt hier asozial? Wenn die so früh unterwegs sind, fahren die ja anscheinend alle zur Arbeit…“
„Oder zum Arbeitsamt!“ kommt die sofortige Antwort meiner Herzdame.

Zukünftige „Ukraine“?
Istanbul: Die Clownshow des ukrainischen Dikrators und der ihn steuernden europäischen Machthaber hat deutlich gemacht, dass weder Selenski noch die Europäer einen Friedensschluss in der Ukraine sehen wollen – jedenfalls keinen, der die Realitäten berücksichtigt. Ihre Drogenphantasien von einer strategischen Niederlage und Kapitulation Russlands würden sie natürlich gerne verwirklicht sehen, haben aber keine Chance, dies jemals umzusetzen.
So sieht es danach aus, dass die militärische Sonderoperation weitergehen wird bis all ihre Ziele erreicht sind, eventuell tatsächlich zum „Krieg“ hochgestuft.
Das ukrainische Territorium wird sich dabei mit jedem Mal verkleinern, an dem das Kiewer Regime und seine westlichen Kuratoren erneut eine diplomatische Lösung verweigern.
Zwei Karten, die den möglichen zukünftigen Zuschnitt des bisher als „Ukraine“ bekannten Gebietes zeigen:


DAS SANKTIONSLIED
Wer hierzulande nicht pariert
der wird in Zukunft sanktioniert!
RT auf deinem Telefon?
ZACK! Schon setzt es ne Sanktion!
Russophobie ist dir nicht recht?
Sanktionen rücken dich zurecht!
Das Russland uns EUROPA raubt:
Wir sanktioniern euch bis ihr’s glaubt!
In deinem Oberstübchen wohnen
falsche Gedanken? Dann: SANKTIONEN!
Du magst im Winter nicht gern frieren?
Du PUTINKECHT! Wir sanktionieren!
Doch sanktioniern wir DEMOKRATICH,
und euch Russenfreunden rat‘ ich:
Seid klug und huldigt diesen Vieren,
dann müssen wir nicht sanktionieren:
Die Uschi, Stahmer, Merz, Macron –
sie geben vor den neuen Ton
der heute durch Europa schallt,
in Bürgerköpfen widerhallt,
bis alle nur noch einig blaffen
„Zu den Waffen! Zu den Waffen!“
Wer weiter unsre Politik
bemäkelt und in Zweifel zieht,
der weiß ab jetzt, wohin das führt:
Er wird dann nämlich sanktioniert
bis Ärger, Strafen und Verdruß
ihn heilen von dem Russenstuß,
auf dass er wieder Teil werde
der russophoben Kriegerherde.

Nachmittägliche Gedanken nach der Lektüre der neuen „UZ“
„Der Staatsdoktrin „Feindschaft mit Russland“ wurde rund um den 8. Mai alles untergeordnet, der Gedenktag selbst war lästige Pflicht und Nebensache. So teilte der am Vortag ins Amt gekommene Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU), ehemals Bürgermeister der Eifelgemeinde Arzfeld, den Teilnehmern des „NRW-Mobilitätsforums“ in Gelsenkirchen am 8. Mai laut „Handelsblatt“ per Video mit: „Hier in Berlin ist heute Feiertag. Bei Ihnen wird gearbeitet … So ist es auch richtig.““
Ein guter Artikel von Arnold Schölzel in der neuen „UZ“ – gut in dem Sinne, das er ein Schlaglicht wirft auf den bereits erreichten Stand der Kriegsplanung des deutschen Imperialismus und deren bewährter Verknüpfung mit einer Russophobie, die inzwischen wieder Dimensionen wie unter einer berüchtigten Vorgängerregierung der jetzigen Berliner Machthaber erreicht hat.
Andrerseits: wir lesen und schreiben all diese Dinge, wir regen uns auf oder sind entsetzt über die Wiederholung der faschistischen Tragödie als demokratische Farce, wir würden am liebsten nicht glauben wollen, was die Berliner Spatzenhirne von den Dächern pfeifen und in die Köpfe hämmern: Es steht wieder Krieg gegen den Russen an!
Aber wir bleiben scheinbar immer nur in unserer kleinen Blase der wenigen Verständigen und Vernünftigen. Ein Blick in die Kommentarspalten der sozialen Medien zeigt ein entsetzliches Bild von Häme, Hass und Hetze gegen Russland, gegen China, gegen alles, was zu Frieden und Freundschaft, zu Diplomatie und Mäßigung des Kriegsgeschreies mahnt. Das ist nicht diejenige Hetze, die die Berliner Machthaber neuerdings verbieten, bestrafen und unterdrücken wollen, sondern diejenige, die sehr willkommen ist und von den „Gegen Hass und Hetze!“-Gesinnungswächtern selber aktiv betrieben wird.
Es scheint völlig aussichtslos- und hoffnungslos zu sein, diesem Wahnsinn etwas entgegensetzen zu wollen – zu mächtig und allgegenwärtig ist das fanatische bellizistische Gezeter, sind die kriegerischen Anfeuerungsrufe der politischen und medialen Schlachtenbummler des kommenden Russlandfeldzuges.
Aber natürlich müssen wir es trotzdem tun auch wenn’s vergeblich aussieht. Beharrlich und ohne in die Falle der Resignation, des „Rückzugs ins Private“ oder – im schlimmsten Fall – des psychisch-emotionalen Zusammenbruchs in einer Welt mörderischen imperialistischen Irrsinns zu rutschen.
Fotzenfritz und Laberlars, „Russland ist unser ewiger Feind“-Wadephul, Draculine Flak-Rheinmetall, Roderich Kriegsgewitter und all ihre smarten, eloquenten, karrierebewussten und schmierigen Helfershelfer in Amtstuben und Ministerien, auf Polizeidienststellen und in Gerichten – sie sollten nicht auch noch die Genugtuung erleben, dass ihr Treiben unkommentiert hingenommen wird.
Ich habe keine Ahnung, was zu tun ist, was die richtigen Maßnahmen wären. Demos? Plakative Protestaktionen? Friedensgebete? Vielleicht doch eher Aufklärung, Aufklärung und nochmal Aufklärung über die Gründe für Imperialismus und Krieg. Da kann man ja kreativ werden, jeder auf seine Art. Die Kriegstreiber der Lächerlichkeit preisgeben ist eine gute Methode, aber sie reicht nicht aus, um ihnen das Handwerk zu legen. Mehr fällt mir aber auch nicht ein.